…wenn die Natur dir zeigt, dass täglich Wunder geschehen. Es waren einmal – vor sage und schreibe 28 Jahren – zwei junge hoch motivierte Gärtnerlein die sich zu Anfang ihres Studiums zur Gartenarchitektur und Umweltplanung kennengelernt hatten. Sie reisten eines schönen Tages in den Süden Deutschlands, um den Eltern des einen Gärtnerleins im Garten zu helfen. Nachdem eine Menge Erde, Holz und Steine bewegt worden war, ging es an des Gärtners liebstes Tun: das Pflanzen. Um das Wichtigste für diesen Teil der Gartengestaltung zu besorgen – nämlich die Pflanzen - landeten die Gärtnerlein bei einer absolut hinreißenden Baumschule – in der dritten Generation in Familienhand, geführt von Vollblutprofis, es war eine reine Freude durch den Betrieb zu gehen und all die Schätze zu bewundern, die es dort zu bewundern gab. Der gärtnerische Enthusiasmus und die große Freude blieben nicht unbemerkt. An besagtem Tag hatte der Seniorchef höchstpersönlich Dienst und er fand offensichtlich Gefallen an unseren beiden jungen Gärtnerlein – noch so grün hinter den Ohren und ganz am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn, mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten. Gemeinsam zog der grüne Trupp durch die Baumschule, füllte eine Karre nach der anderen mit grünen Schätzen und zahlte am Ende des Tages einen Obolus, den der Juniorchef mit Sicherheit nicht gutgeheißen hätte. Schon beim Verabschieden und gute Wünsche mit auf dem Weg geben, erstarrten unsere Gärtnerlein noch einmal vor ehrfürchtiger Bewunderung vor einer Pflanze – nein – einem Wunderwerk der Natur, eine Strauchpaeonie von so gewaltigem und herrlichem Wuchs – eine Pracht kaum in Worte zu fassen – sie war auch nicht zu verkaufen, sondern hatte ganz offensichtlich schon seit vielen, vielen Jahren ihren angestammten Platz an genau dieser Stelle.
Ganz offensichtlich war sie auch des Seniorchefs ganzer Stolz, denn ihm gefiel die Bewunderung der Gärtnerlein so sehr, dass er in seinem Büro verschwand und mit einem Papierbriefchen wieder auftauchte, - er schenkte dem Gärtnernachwuchs genau drei dicke, pralle, verheißungsvoll glänzende, schwarze Samenkörner von genau dieser Pflanze – was für eine Ehre!
Aber wie schon erwähnt, die Gärtnerlein waren jung und noch sehr beschäftigt damit, ihren Platz im Leben zu finden – Jahre vergingen, zwei Töchter wurden geboren, drei Umzüge überstanden, immer mit dabei: drei Samenkörner die nach den vielen Jahren nicht mehr ganz so dick und prall waren und auch nicht mehr so verheißungsvoll glänzten – aber sie existierten und warteten auf ihre Chance.
Sie kam.
Endlich die erste richtige, feste Arbeitsstelle und mit dabei gleich ein ganz neues, außergewöhnliches Umfeld. Wir „mussten“ aufgrund der mit der Arbeitsstelle verbundenen Residenz“pflicht“ nach Wilsede ziehen – unser heiß geliebtes Örtchen ganz am Rande der Zeit. Soweit so wunderbar, allerdings mag sich der geneigte Leser vielleicht vorstellen, dass Langeweile niemals das Problem der damals immer noch recht jungen Gärtnerleinfamilie war – der Garten stand lange auf der Prioritätenliste nicht an erster Stelle. Weder Geld noch Zeit reichten, um sich ihm so zu widmen, wie er es verdient hätte – aber immerhin – die drei Samenkörner die nun schon reichlich Samenruhe genossen hatten, waren immer noch nicht ganz vergessen. Eines Frühjahrs beschloss das eine Gärtnerlein ohne große Erwartungen die armen, überlagerten, kleinen Dinger zu erlösen und drückte sie einfach ziemlich sinnlos irgendwo in ein Beet um danach nach den Kindern zu sehen und Windeln zu waschen – und die Samenkörner letztendlich doch einfach zu vergessen!
Ich kann wirklich nicht mehr genau sagen, ob ein oder sogar zwei Winter vergingen, nachdem ich die Samen in die Erde gesteckt hatte. Aber ganz sicher weiß ich noch, dass ich sie eigentlich komplett vergessen hatte und ich kann mich noch ganz genau erinnern an das neugierige Staunen, mit dem ich in einem Frühjahr beim Unkraut jäten auf einmal ein Keimblatt entdeckte, dass mir völlig fremd war und mich an kein Unkraut erinnerte, das ich jemals gesehen hätte – „was das wohl werden möchte?“ habe ich mich damals gefragt, „das lasse ich jetzt aber ganz sicher erst einmal stehen“.
Im folgenden Jahr zeichnete sich noch deutlicher ab, dass sich aus dieser Pflanze etwas Besonderes, Exotisches entwickeln wollte – und da fiel es mir auch endlich wieder ein: konnte es wirklich sein, dass in einem der Paeoniensamen nach so vielen Jahren noch genug Kraft für eine Keimung gesteckt hatte? Von dem Moment an behütete und beschützte ich meinen kleine Sämling mit aller Umsicht.
Er bekam einen kleinen Schutzwall aus Steinen damit kein Huhn aus Versehen darüber trampeln und ihn womöglich kaputt scharren konnte, ich besuchte ihn oft einfach so im Laufe eines Tages und freute mich über seine Entwicklung – und ich beschloss, dass er einen besonderen Platz im Garten bekommen sollte. Einen Ort voller Sonne und Wärme wie ihn Strauchpaeonien lieben und wie er in unserem wunderbaren, schattigen Baumgarten eigentlich eher selten ist. Ehrlich gesagt war ich wahnsinnig genug unseren Mauerngarten im oberen Garten hauptsächlich für diesen einen Sämling zu bauen.
Er sollte eine Südwand bekommen, eine richtige Sonnenfalle und Wärmebatterie vor der er sich prachtvoll entwickeln sollte. Drei Jahre lang habe ich auf Bauschuttdeponien und von Abbruchhäusern Ziegelsteine gesammelt, jeden einzelnen Stein dieser Mauer hatte ich mehrere male in der Hand: aufsammeln, abladen, Mörtel abschlagen, aufstapeln und letztendlich: aufmauern zu der Kulisse, die der Mauerngarten heute bietet, für meine kleine Strauchpaeonie die inzwischen angefangen hat zu blühen – ganz im Gegensatz zu der für viel Geld teuer gekauften vom Kiekeberg, die seit ihrer Ankunft in unserem Garten immer nur rückwärts wächst und kümmert. Sie ist eine dankbare Kämpferin und behauptet sich auf dem eigentlich ungeeigneten Heideboden, ich gehe sie nach wie vor fast jeden Tag besuchen!
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