Ich tue mich ein wenig schwer mit dieser kleinen Geschichte, weil ich immer denke, dass man sich nur dann selber in die Lehrendenposition erheben sollte, wenn man wirklich weiß, wovon man redet und was man tut. Aber ihr habt mir gut zugeredet und gesagt, dass ihr sehr gerne auch mal ein wenig Gärtnerinnenlatein lesen würdet.
Na dann mal los, werdet schon sehen, was ihr davon habt.
Nachdem ich letztes Jahr vor lauter Stolz und Glück beinahe geplatzt wäre, weil ein langjähriges Projekt im aller wahrsten Wortsinn „Blüten getrieben“ hat, schreibe ich euch hier NICHT auf wie es geht, sondern was ihr alles falsch machen dürft – und es funktioniert manchmal mit etwas Glück trotzdem, weil die Welt voller Wunder ist. (Wer sich nach meiner kleinen Pleiten, Pech und Pannenaufzählung ermutigt fühlt selber mal ans Werk zu gehen: Das Internet ist voller richtig guter Videos die das Veredeln zeigen.)
Es wuchs einmal ein duftender Traum von einer romantischen, roten Kletterrose. Sie ließ und lässt keine Wünsche offen – tiefrote Farbe, kerngesundes, glänzend grünes Blatt, üppige, große Blüten in dichten Trauben – aber nicht so dicht gefüllt, dass die Bienen leer ausgingen, sie trägt sogar dicke schwarze Hagebutten im Herbst. Leider habe ich keine Ahnung wie die Sorte heißt. Nur für den Fall das es unter euch jemand gibt, der eine Idee hat, wer diese Schönheit ist, – ich würde mich sehr freuen, wenn ihr es mir verraten würdet.
Bei mir heißt sie aus naheliegenden Gründen einfach nur „die Schulbauernhofrose“. Den einzigen Fehler, den meine heißgeliebte Wunderrose hatte, war, dass sie leider auf Nachbars Grundstück, dem Schulbauernhof des VNP zu Hause war und nicht bei mir. Weil ich so großen Respekt vor der hohen Kunst des Veredelns hatte und habe, war mein erster Vermehrungsversuch der Schnitt mehrerer Stecklinge.
Wie der noch recht junge, aber doch schon wunderschöne Rosenbogen beweist, den ihr alle durchschreiten dürft, wenn ihr hier im Teegarten die „Kräuterfeste“ im oberen Garten besuchen wollt, sind Stecklinge für viele Rosen ein sehr guter Weg der Vermehrung. Man schneidet einfach – und ich meine WIRKLICH einfach – einen gesunden jungen Zweig aus der aktuellen Vegetationsperiode von einer Rose ab. Mindestens 5 Augen (Knospen). Die ganz weiche, elastische Spitze des Zweiges nicht mitzählen, sondern über einem unverletzten Blatt wegschneiden. Von dem verbleibenden, voll ausgereiften Zweig bis auf dieses oberste Blatt alle weiteren Blätter sorgfältig entfernen und dann einfach in aufgelockerte Erde stecken. In meinem Fall habe ich sie direkt an Ort und Stelle dahin gesteckt, wo sie heute noch wachsen. Es waren ganz wunderbare Zweige – bestimmt 50 cm oder noch länger, sie waren am selben Tag ganz frisch bei einer Freundin abgeschnitten worden der ihr eigener Bogen etwas über den Kopf gewachsen war, im Juli glaube ich, direkt nach der Blüte. Unser Heideboden hier ist von Natur aus locker, da war es nicht schwierig die kompletten 50 cm sorgfältig in die Tiefe zu schieben, bis wirklich nur noch besagtes Blatt ganz oben aus der Erde schaute. Danach blieb nur: Sehr sorgfältig gießen, nie austrocknen lassen und – ganz wichtig: Daumen drücken!
Leider funktioniert dieses Stecklinge schneiden nicht bei allen Rosensorten. Madame Schulbauernhofrose ließ sich nicht überreden. Ich habe es zwei Jahre lang erfolglos versucht bis ich mir endlich ein Herz gefasst habe und mir selber Mut zusprach: “Apfelbäume hast du auch schon selber hinbekommen, dann versuch es doch wenigstens mal bei dieser Rose“. Gesagt, getan, voller Hoffnung und guter Vorsätze alles besonders gut zu machen habe ich im Herbst ein paar wilde Rosen (in meinem Fall Rosa mulitflora) als wurzelnackte Ware gekauft und liebevoll, sorgfältig eingepflanzt – um dabei schon gleich meinen ersten gravierenden Fehler zu machen. Normalerweise ist es gut und richtig Rosen tief zu setzen, es ist sogar ein typischer Fehler, dass sie fast immer zu hoch eingepflanzt werden (die Veredlungsstelle sollte ca. 5 cm unter der Erdoberfläche liegen).
Ich wollte es wie gesagt besonders gut machen und habe auch meine Wildrosen so tief gesetzt, dass die ersten Zweige über dem Wurzelhals auch noch schön mit Erde abgedeckt waren, damit sie ja gut anwachsen sollten – den Wunsch haben sie mir auch vorbildlich erfüllt. Sie sind so unglaublich hervorragend angewachsen, dass sich überall neue Wurzeln gebildet hatten – auch an den ersten Zweigen, die ich ja mit Erde bedeckt hatte. Das wären alles ganz wunderbare Stecklinge geworden – der Haken war nur: Wenn man eine Rose veredeln will, braucht man einen eindeutigen, starken Wurzelhals – also: Genau EINEN; nicht ein Gewirr von Zweigen aus denen Wurzeln wachsen. Ich musste meinen armen wilden Rosen also ziemlich brutal zu Leibe rücken und ganz viel Erde wieder weg graben bis ich auf die Tiefe kam, wo ich den Wurzelhals, also den Übergang zwischen verzweigtem Wurzelwerk und verzweigtem Gezweig finden konnte.
Dann soll man in den Wurzelhals mit einem speziellen Spezialmesser, dem Okuliermesser einen T-Schnitt setzen. Weil mein Mann Baumschulgärtner ist und ich selber Zierpflanzengärtnerin gelernt habe, ist unser Haushalt theoretisch nicht nur mit einem Okuliermesser ausgestattet – nein, wir nennen auch noch mehrere Stecklingsmesser, zwei Hippen und ein Kopuliermesser unser eigen – nur – wirklich wichtig ist eigentlich nicht, wie die Klingen genannt werden, sondern, dass sie wirklich richtig scharf sind. Leider konnte ich den Wetzstein nicht finden (Ordnung ist ja bekanntlich das halbe Leben, aber die andere Hälfte ist eben immer noch die Interessantere) – und wisst ihr was: richtig scharf ist ein frisch abgebrochenes Tapeziermesser auch. Wo ein Wille ist, findet sich auch eine Lösung.
Ich improvisierte also erfolgreich einen T-Schnitt, in den ich das edle Rosenauge einsetzen konnte, nach ein paar Fehlversuchen gelang es mir sogar den Okulationsschnellverschluss über mein Pflanzenpuzzle zu setzen.
Ich war komplett überrascht von diesem Erfolg – leider quälte mich von dem Moment an, als der sogenannte Schnellverschluss in Form eines Gummiläppchens sicher und fest über dem eingesetzten Auge saß die Frage, ob ich bei meinen ersten beiden Fehlversuchen bei denen es mir nicht gelungen war genug Spannung auf das Gummi zu bringen, um auf der Rückseite die Drahtstifte richtig zu fixieren, nicht womöglich aus Versehen das Auge verschoben haben könnte. Jeden Tag schlich ich um die Rose herum, beäugte mein Machwerk und wurde immer hibbeliger. Ihr ahnt es schon: lange konnte ich meine Neugier nicht im Zaum halten und linste vorsichtig hinter das Gummi welches nicht nur das Auge unter leichtem Druck an der richtigen Stelle halten soll, sondern auch noch dafür sorgen, dass keine Erde in die frische Wunde dringen kann – uhhhh – was für ein Glück!
Das Auge saß noch richtig – schnell wieder zumachen – sitzt es immer noch richtig? Jaaaaaa! Was für ein Glück, schnell wieder zumachen – sitz………..
Glaubt es oder lasst es bleiben – krumm und schief, wulstig und ganz und gar verwachsen und trotzdem – die Schulbauernhofrose sie wollte leben! Jetzt wünsche ich mir nur noch, dass sie sich ganz genauso prachtvoll weiter entwickelt wie sie in ihr erste Jahr am „Vic- Tor“ in den „Pippi Langsturmpfgarten“ gestartet ist.
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