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Patchworkfamilie mit Federn,oder Rollenverteilung unter emanzipierten Hühnern

Geschrieben am: 1. August 2025
Von: Claudia Mertens

Diese Geschichte stammt aus den Anfangstagen meiner Hühnerhaltung und würde mir so heute nicht mehr passieren. Damals bestand unsere Schar aus einer bunten Mischung verschiedener Rassen. Es waren besonders seltene, schon fast außergewöhnliche Tiere dabei. Westfälische Krüper in einem grauen Farbschlag, die ein Freund aus dem Detmolder Freilichtmuseum gerettet hatte, wo gerade ein Förderprogramm zum Erhalt alter Haustierrassen gestrichen worden war, wodurch ein Großteil der besonderen und vom Aussterben bedrohten Nutztiere von dort auf einmal ohne Futter und Dach da standen. Der Hahn hieß Reinhard und war so instinktsicher, wachsam und beschützend gegenüber seiner Schar, dass mein Mann mit unseren Töchtern und einem Stock in der Hand geübt hat, wie sie unbeschadet den Hof überqueren konnten. Reinhard hat Habichte vertrieben und sich sogar mit einem Fuchs angelegt – den Kampf hat er dann allerdings verloren, aber das ist schon wieder eine neue Geschichte.

Neben diesen ursprünglichen Kämpfern puckerten wie nicht ganz von dieser Welt auch ein paar Wyandotten mit in der Schar herum. Wenn Westfälische Krüper die Malinois unter den Hühnern sind, sind Wyandotten die Labradore, freundlich, zutraulich, neugierig, - verfressen.

Wir waren zwei Wochen im Sommerurlaub und ein lieber Nachbar mit noch weniger Erfahrung in der Hühnerhaltung als wir selber schaute täglich nach dem Rechten – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Wir kamen aus dem Urlaub zurück und trauten unseren Augen nicht! Eine Krüperdame und eine Wyandotte hatten sich in das selbe Legenest gequetscht und gaben ihr Bestes einen regelrechten Berg aus Eiern von zwei Seiten her warmzuhalten.

Mir ist bis heute nicht ganz klar wie die Beiden es fertig gebracht haben. Es waren weit über 30 Eier – alle zu einem akut lawinengefährdeten Berg aufgehäuft. Es war dem Nachbarn auch sehr peinlich – aber er hatte sich nicht getraut die Hühner um zu sortieren und die Anzahl der Eier irgendwie zu kontrollieren. Na ja, so ganz verdenken konnte man es ihm nicht, so wehrhaft der Krüperhahn war, stand ihm die Henne in nichts nach und ich zog es auch vor mir einen ledernen Gartenhandschuh überzuziehen, um ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen.

Die Anzahl der Eier reduzierte ich auf ca. 20 – zehn Stück für jede Glucke und dann versuchte ich zwei Tage lang die beiden Glucken zu trennen und in nebeneinander liegende Legenester um zu quartieren – aber das gefiel ihnen ganz und gar nicht. Sie wollten sich gemeinsam in das gleiche Nest quetschen und gemeinsam brüten. Ich ließ ihnen ihren Willen und ihre Eier und ging nicht davon aus, dass aus dem Chaos jemals etwas gutes Entstehen könnte – aber ich wurde eines Besseren belehrt.
Einige Tage später schlüpfte zu meiner großen Verwunderung tatsächlich ein erstes putzmunteres Küken aus seiner Schale. Die Krüperdame stand sofort voller gewichtigem Verantwortungsgefühl auf und führte das Küken im Stall umher – die Wyandotte besah sich das von ihrem Eierberg aus und rührte sich nicht von der Stelle. Absolut unglaublich aber wahr: das ging fast eine ganze Woche so.

Die fleißige Hühnermama bei der Kükenbetreuung

Durch das ganze Durcheinander zu Beginn der Brüterei war es ja klar, dass die Eier keinen einheitlichen Starttermin für die Brut hatten, aber dank einer gehörigen Portion Anfängerglück hielten sich diese beiden Glucken an keinerlei Regeln und Normen. Die Wyandotte brütete sich tapfer durch ihren Eierberg, jeden neuen Tag schlüpften ein bis zwei neue Küken, verließen ihre Wyandottenmutter und die Krüperdame zeigte den Küken das Leben im Stall. Abends quetschte sich wieder alles was Federn und Krallen hatte in das gleiche viel zu kleine Legenest und erst als das letzte Ei Füße und Federn bekommen hatte, stand auch die Wyandotte auf und die merkwürdige Patchworkfamilie verließ den Stall.

Wir haben niemals wieder so herrliche Hühnerfamilienbilder beobachten dürfen. Die beiden ungleichen Mamas kamen vorbildlich miteinander aus und einigten sich ohne die kleinste Reiberei auf eine feste Rollenverteilung. Die Wyandotte gluckste und lockte, scharrte und pickte – sorgte stets erfolgreich und zuverlässig für gefüllte Kröpfe, während die Krüperkriegerin wachsam um die kleine Schar Leben kreiste und nichts und niemanden aus dem Blick verlor – weder den Himmel mit eventuellen fliegenden Räubern noch ein Gebüsch, in dem eine Gefahr lauern konnte, kein anderes Huhn aus der Schar durfte sich nähern, alles, was auch nur einmal schräg guckte, wurde vermöbelt und zum Teufel gejagt. Niemals wieder wuchs ein Gelege derart gut behütet bei uns auf!

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