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Darf ich vorstellen: – Herr Tschirks!

Geschrieben am: 1. November 2025
Von: Claudia Mertens

Na gut, vielleicht war es auch Frau Tschirks, das ist nicht so ganz einfach zu beurteilen

Es war einmal ein strahlender Tag im Frühsommer, die Sonne lockte nach draußen, ein leckerer Apfelkuchen war schon gebacken und eine Freundin mit ihren drei Kindern gerade eingetrudelt. Wir tummelten noch in allerschönster Begrüßungsaufregung alle auf einmal im Flur herum, da zeigte unser geliebtes, altes Haus mal wieder seine etwas gewöhnungsbedürftige Seite: Kratzende Geräusche klangen durch die Holzvertäfelung im Flur.

Leider ist es in so alten Häusern, teilweise mit Lehmwänden und ganz sicher mit vielen Hohlräumen an den unmöglichsten Stellen nicht ganz ungewöhnlich, von Zeit zu Zeit leise trippelnde Schrittchen von diversen verborgenen Mitbewohnern zu hören – in diesem Fall konnte von leise trippelnden Schrittchen allerdings nicht wirklich die Rede sein. Die Geräuschkulisse klang eher nach Ratten – riesigen Ratten – einer riesigen Rattenarmee, ganz kurz vor dem Durchbruch in unseren Flur!!!
Oh nein – ausgerechnet heute und jetzt – ich wollte mit meiner Freundin in der Sonne sitzen und Kuchen essen! Nach kurzer Überlegung beschloss ich, dass wir genau das tun würden: nichts wie raus hier. Wer wollte denn schon so genau wissen, was da womöglich hinter der Vertäfelung lauerte?
Meine jüngere Tochter war da ganz anderer Meinung, sie wollte genau das unbedingt herausfinden. In der beruhigenden Gewissheit, dass wir in Deutschland leben, nicht in Australien, dem Land mit den meisten potenziell tödlich giftigen Tieren, verzog ich mich ganz zufrieden mit Freundin und Kindern in den Garten und ließ meine Tochter und eine große Plastikschüssel vor der Wand zurück. (Lifehack aus eigener Erfahrung – wenn irgendjemand irgendetwas fangen will – egal wie eilig es ist: nehmt kein zerbrechliches Gefäß!)
Das erste Stück Kuchen war zur Hälfte verputzt und der Tee hatte gerade erst Trinktemperatur, da stand meine Tochter schon an unserem Tisch, leicht verwirrt und verunsichert: "ähem – Mama – ich hatte es gefangen – ich – glaube – es war ein Maulwurf!“

Ungläubiges Schweigen. „Was soll das heißen: ein Maulwurf? Aus der Hausinnenwand im Flur? Und wieso HATTEST du es gefangen, wo ist es denn jetzt?“ „Na ja, er kam unter der Garderobe raus – und dann habe ich die Schüssel drauf gestellt, aber leider nur zur Hälfte, da ist es wieder raus geflitzt und zurück unter die Garderobe“ war die Antwort meiner Tochter.
Ich geniere mich ehrlich, wenn ich das jetzt zugebe: Ich habe ihr kein Wort geglaubt: “Ein Maulwurf – also mal ehrlich – das glaubst du doch selber nicht, da marschier mal schnell wieder rein und fang ihn nochmal!“
Ja, ich gebe zu, das war pädagogisch ganz sicher nicht wertvoll – aber wer glaubt denn auch so was – und die Sonne schien doch gerade so schön auf den Kuchen. Noch unglaublicher war aber vielleicht der Fortgang der Geschichte. Nur wenige Minuten später stand meine Tochter schon wieder im Garten, strahlend und siegesbewusst: “Dann komm‘ doch und schau nach, ich habe einen Schuh auf die Schüssel gestellt, damit er nicht abhauen kann – und er heißt übrigens Tschirks, das sagt er zumindest, wenn man die Schüssel aus Versehen auf seinen Schwanz stellt!“


Da hatten wir es natürlich alle sehr eilig wieder in den Flur zu kommen, um Tschirks kennenzulernen. Zum Glück hatte ich für unsere Hühner gerade erst einen großen Beutel Mehlwürmer gekauft, so konnten wir uns bei Tschirks für die Unannehmlichkeiten und den eingequetschten Schwanz entschuldigen. Tschirks wurde aus der Schüssel in einen Eimer umgesiedelt damit er uns nicht wieselflink über den niedrigen Rand entkommen konnte, und dann in einer lustigen Prozession feierlich über die Straße auf die Wiese vor dem Schafstall getragen.

Maulwurf kurz vor Tauchgang

Ein wenig hinterhältig suchte ich eine besonders harte Stelle aus in der Hoffnung, Herrn Tschirks noch ein wenig beobachten zu können, wie er erst aus dem Eimer krabbeln würde um dann auf der Suche nach einer guten Stelle zum Eingraben ein wenig über die Wiese zu spazieren – aber weit gefehlt – sobald der Eimer auf der Erde lag, marschierte Herr Tschirks bis genau an den Eimerrand, schob seinen lustigen,
unglaublich beweglichen rosa Rüssel im rechten Winkel nach unten Richtung Erde und tauchte innerhalb weniger Sekunden in den sonnenverbrannten, harten Boden ab, als wäre es Wasser.

Zurück ließ er nur eine weitere, wunderbar verschrobene Wilsede-Geschichte – und ein paar gar nicht mal so kleine Zementbröckchen die ich noch Tage später unter der Garderobe fand.

Maulwurf taucht ab

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